Daniil Charms
»Man sieht es diesen Fotos nicht an, aber Sabine Würich ist eine Künstlerin, die wie eine Reporterin vorgeht: Sie durchstreift die Straßen und Viertel Moskaus, sie spricht mit Menschen und sie durchforstet Archive und Bibliotheken – wo ihr die Dichter mindestens ebenso viel bedeuten wie die Historiographen. So dringt sie auch vor in historische Schichten der Stadt. Ihre Recherchen indessen verdichtet sie in prägnanten Motiven, die sie so lange verfremdet, bis sie einen Grad der Abstraktion erreichen, der sie zur Metapher werden lässt.
Die Serie Der Mythos des Sichtbaren, die zwischen 1994 und 1996 entstand, konzentriert sich auf Ausschnitte einer Architektur, in der sich der Herrschaftsanspruch eines totalitären Regimes und der allmächtige Deutungsanspruch einer Ideologie auf frappierende Weise manifestieren. Geradezu mimetisch wendet Sabine Würich bildnerische Strategien der Avantgarde der 20er und 30er Jahre an und konterkariert so auch das idealisierende Moment künstlerischer Bilder, ohne dabei deren Faszinationskraft zu schmälern. Mit dieser Ambivalenz konfrontiert sie die Betrachter.
Wie schreibt sich Geschichte ins öffentliche Bewusstsein ein? Das ist die Frage, der Sabine Würich in ihrer Arbeit nachspürt. Dabei analysiert sie die herausragende Rolle, die Architektur und Städtebau für das kollektive Gedächtnis spielen. Mit ihrer Kamera arbeitet sie präzise die psychologische Wirkung von Bauwerken heraus, deren Manipulationskraft dem Passanten oftmals gar nicht bewusst ist. …«
Christel Wester
Aus: Das Schiff fuhr langsam durch die Nacht, wie ein schlüssiger Gedanke durch das Unbewusste, Katalog zur gleichnamigen Ausstellung, Köln 2007
Technik:
goldgetonte Schwarz-Weiß-Barytabzüge