Wohnhaus in Zbąszyń (Polen), damals improvisierte Krankenstation
»Wir bauten eine ganze Stadt mit einem Vorratslager, einer Krankenstation, Tischlerei, Schneiderei, Friseur- und Schuhmacherläden, einem juristischen und einem Emigrationsbüro, eine Post mit 53 Angestellten, ein Sozialamt, eine Beschwerde- und Schlichtungsstelle und einem Putz- und Sanitätsdienst. Zusätzlich zu den 10-15 Leuten aus Polen waren mindestens 500 Flüchtlinge aus Deutschland in diesen Abteilungen beschäftigt […]
Es entwickelte sich ein vielfältiges kulturelles Leben. Das erste, was wir einführten, war der Gebrauch der jiddischen Sprache. Das wurde im Lager Mode. Wir organisierten außerdem Sprachkurse in Polnisch, und es nahmen ca. 200 Leute daran teil. Wir richteten mehrere Leseräume und eine Bibliothek ein. Es gab außerdem Konzerte und einen aktiven Chor.
Trotzdem gab es noch viele Probleme: […] Viele Männer, die Frauen und Kinder in Deutschland zurückgelassen haben, erhalten nun schreckliche Nachrichten von zuhause […]
Die Unterhaltskosten belaufen sich für uns auf 10.000 Zlotys pro Tag(ca. 2.000-2.500 amerikanische Dollar). Wie lange können wir uns das noch leisten? Die Regierung gibt uns nicht einen Pfennig. Wir mußten das Stroh, das wir in den ersten Tagen von der Distriktregierung bekamen, voll bezahlen. Wir blicken mit Verzweiflung in die Zukunft.«
(Emanuel Ringelblum, 6. Dezember 1938)
